Ulrich Maria Lenz

Einige Gedichte aus

Ulrich Maria Lenz: Irgendein Tag in der Zeit
Gedichte
Alkyon Verlag, Weissach i.T. 1997
(über den Buchhandel erhältlich)

Der Träumer, der Schwan und die Wurmlinger Kapelle

immer wenn die medien voll sind

Lyrik für alle im TV

sagt er bleibt und redet weiter

Über den Autor

   
   

Der Träumer, der Schwan und die Wurmlinger Kapelle

Der stolze Schwan
auf dem grünen See
zog fern seine Bahn
wie ein Schiff aus Schnee.
Von Richtung der Kapelle her
– ruhig aber stet –
glitt er auf mich zu.
Träumers Gebet ward erfüllet im Nu.
Die Weidenkätzchen pollten schon sehr.
Er war jetzt ganz nah
das Gefieder gebauscht
hat eben er da
mit mir Blicke getauscht.
Als wollte er sagen:
wie kannst du es wagen
– und darüber noch lachen –
statt mir Kekse zu reichen
Fotos und Gedichte zu machen!
Im Teiche blieben von seinem beleidigten Weichen
noch leise bewegte spiegelnde Zeichen.
Hoch überm Wasser die Kapelle
spiegelt sich auf silbriger Welle.
Dorthin zog der schöne Schwan
wieder seine einsame Bahn.
In der Feme immer ferner
wie Fata Morgana wie Flocke aus Schnee
schmolz der Schwan
in den milchgrünen See.
Über dem Kapellenhügel unterdessen
schwarze Unwetter dunkelten
wie könnt' ich's vergessen
es ist kein Scherz
und als wär es noch März
und nicht schon Mai
Zwielichter auf krausen Wellen funkelten.
Dann zog mit Graupel und Schnee
eisiger Vorhang herab auf den See
aus war's mit Müßiggang, Tagträumerei
und frühlingsmüder Faulenzerei. 

      

immer wenn die medien voll sind

von worthülsen den wörtern des jahres
wie rechtsstaat demokratie und blühenden landschaften
wenn sie sich selbst feiern
das volk aber schreit wir sind das volk
und das erst jetzt so recht begreift
und gar nicht mehr wählen geht
immer dann ist etwas oberfaul mit dem ach so tollen
rechtsstaat
liegt es mit wirklicher demokratie im argen
und das volk weiß nicht wer überhaupt das volk ist
und das volk weiß daß nicht es die macht hat
immer wenn die großkopfeten der hierarchien
selbstbeweihräucherisch oder zeitgeistig opportun
verantwortung nach unten abgeben wollen
zeigen sie in wirklichkeit ihr versagen
und blasen zum rückzug
auf ihre längst angehäuften pfründe
immer wenn die gerichte politik machen
und nicht die bürger und parlamente
beginnt schon die bessre zeitenwende
immer wenn die endgültigen siege verkündet werden
über den sozialismus oder faschismus
wenn marx oder gott für tot erklärt werden
beginnen schon die krisen der marktschreier
und krämerseelen
und die alten singen wieder wie jung und junge wie die alten
schon als der hydra die köpfe abgeschlagen wurden
wuchsen doppelt so viele neue nach
und herkules gibt es nur in der sage

      

Lyrik für alle im TV

Thema: R. Kunze
(stelle auf Zimmerlautstärke)
Von Marx zu Camus sei er gelangt
wie auch von Ost nach West
das war mir bekannt
"Der Mensch muß die Absurdität seiner Existenz
aushalten lernen" habe er hier gelernt
wird medial doziert
Bei mir war es umgekehrt:
Von Camus zu Marx
und von Sisyphus zu Sahra
Danke Karl und Freunde
Mir geht es wieder viel besser!

      

sagt er bleibt und redet weiter

wenn ihm das gerede und die bücher
das schreiben und das geschriebene
unerträglich würden
sagt er
gehe er in den wald
nach nichts zu suchen
wär sein sinn
er fände aber das schweigen im walde
zwar werde ihm dann bald zu einsam
aber die bücher seien dann wieder
beredt

und er fände sich selbst

               (parodie auf ein gedicht von klaus dieter lauer
                                        "sagt er geht und schweigt")

     

Über den Autor

Ulrich Otto Pontianus Maria Lenz, geb. 1954 in Schleierhof, Kreis Künzelsau. 1974 Abitur am Hermann-Hesse-Gymnasium in Calw. 1974-1976 Zeitsoldat in Münsingen, Unteroffizier. Danach Studium der Philosophie und Kunstgeschichte in Heidelberg, bald abgebrochen. 1978-1980 Gärtnerausbildung mit Abschluß in Stuttgart. 1980-1991 Tätigkeit als selbst. Kaufmann im Außendienst (Pfullingen). 1991 anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Seit 1991 arbeitslos, eingeschränkte Arbeitsfähigkeit. Seit 1995 wohnhaft in Rottenburg/Neckar.

Seit 1994 Veröffentlichung einzelner Gedichte im "Schwäbischen Tagblatt" (Tübingen).
Fotografien im "Tagblatt-Anzeiger".
1995 Veröffentlichung in einer Buch-Anthologie mit Prosatexten und Gedichten.

   

© 2003 Ulrich Maria Lenz / Alkyon Verlag. Wiedergabe im Forum für Literatur und Kunst Alb-Neckar-Schwarzwald mit freundlicher Genehmigung des Alkyon Verlages, Weissach i.T.

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